Zahnärzteschaft und Politik im Dialog
Ein System unter Druck
Inmitten der laufenden Koalitionsverhandlungen nahm sich eine Delegation der CDU-Landtagsfraktion Baden-Württemberg Zeit für einen vertieften Austausch mit der Zahnärzteschaft des Landes. Manuel Hagel, Vorsitzender der Fraktion, Dr. Michael Preusch, gesundheitspolitischer Sprecher, sowie Jens Bürger, parlamentarischer Berater für Soziales und Gesundheit, hörten aufmerksam zu, als die Vertreterinnen und Vertreter der baden-württembergischen Zahnärzteschaft ihre drängendsten Anliegen schilderten.
Dr. Jan Rupprecht, niedergelassener Zahnarzt und Kreisvorsitzender des Alb-Donau-Kreis, hatte das Gespräch initiiert und eröffnete die Diskussion mit einem klaren Blick auf die Situation vor Ort: „Von den 123 Zahnärzten in unserer Region sind 17 über 61 Jahre alt, 13 sogar über 65. Noch ist die Versorgung gesichert, doch ohne Nachwuchs gerät das System ins Wanken.“ Immer weniger junge Zahnärzt*innen wagten den Schritt in die Selbstständigkeit. „Bürokratie und wirtschaftliche Unsicherheiten schrecken viele ab und treiben sie ins Angestelltenverhältnis. Der Beruf verliert dadurch zunehmend an Attraktivität“, erklärte Dr. Rupprecht.
Regulatorische Hürden
Neben dem demografischen Wandel ist der steigende administrative Aufwand eine der größten Belastungen für Zahnarztpraxen. „Regelmäßige Praxisbegehungen durch unterschiedliche Behörden, steigende Dokumentationspflichten und immer neue regulatorische Vorgaben erschweren den Arbeitsalltag erheblich“, kritisierte ZA Hans-Georg Stromeyer, Kreisvorsitzender für den Stadtkreis Ulm.
Ein Beispiel für den zunehmenden Regulierungsdruck sei eine Vorgabe des Robert Koch-Instituts (RKI). Dieses stellt fest, dass die abschließende Wischdesinfektion von semikritischen Medizinprodukten nicht validierbar sei. „Solche Anforderungen sind realitätsfern und verkomplizieren den Praxisbetrieb unnötig“, betonte Dr. Torsten Tomppert, Präsident der Landeszahnärztekammer Baden-Württemberg und Vorsitzender des Vorstands der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg.
Manuel Hagel MdL, zeigte sich besorgt: „Das ist eine Geißel unserer Zeit. Wer denkt sich so etwas aus?“ Bürokratieabbau sei ein zentrales Anliegen seiner Fraktion. Dr. Tomppert knüpfte daran an und forderte, künftig eine andere Form der Praxisbegehungen anzudenken: „Wir brauchen mehr Vertrauen in die Niedergelassenen und eine sinnvolle Selbstkontrolle der Berufsstände.“
Herausforderungen
Neben der Bürokratie belasten auch wirtschaftliche Faktoren die Zahnärzteschaft. „Die Einnahmen stagnieren, während die Kosten kontinuierlich steigen. Besonders problematisch ist das veraltete Punktwertsystem der Gebührenordnung, das seit 1988 nicht angepasst wurde“, erklärte Dr. Bert Bauder, stellvertretender Präsident der Landeszahnärztekammer. Hinzu kämen massive Rückforderungen für bereits erbrachte Leistungen aus dem Jahr 2023. „Etwa 50 Prozent der Praxen sind betroffen – das ist existenzbedrohend“, so Tomppert.
Ein weiteres Problem stellt die unzureichende Finanzierung der zahnmedizinischen Versorgung vulnerabler Gruppen dar. „Unsere Kooperation mit dem Marienhospital zur Narkosebehandlung von Kindern wurde aufgrund fehlender Wirtschaftlichkeit beendet. Kliniken machen mit zahnmedizinischen Eingriffen in Vollnarkose pro OP rund 2.000 Euro Verlust. Das ist auf Dauer nicht tragbar“, erläuterte Tomppert. Er sprach sich daher für ein flächendeckendes Netzwerk aus Politik, Universitätskliniken, Kassen, Ärzt*innen und Zahnärzt*innen aus, um eine nachhaltige Versorgung sicherzustellen. Dr. Michael Preusch griff diesen Gedanken auf und signalisierte seine Bereitschaft, sich aktiv an ersten Gesprächen zu beteiligen und als Taktgeber zu fungieren. Zudem kündigte er an, das Thema in eine parlamentarische Anfrage einzubringen, um eine politische Lösung auf den Weg zu bringen.
Kritik
Besonders scharf fiel die Kritik an Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach aus. „Wir haben einen Minister, der nicht zuhört. Der Dialog mit den betroffenen Berufsgruppen findet nicht statt, stattdessen werden ideologisch geprägte Entscheidungen getroffen, die an der Praxisrealität vorbeigehen“, kritisierte Dr. Tomppert. Ein Beispiel dafür sei das strikte Budgetierungsregime. „Während die Kosten steigen, werden unsere Honorare gedeckelt und rückwirkend gekürzt. Das ist nicht mehr hinnehmbar.“
Lösungsansätze
Dr. Michael Preusch, selbst Mediziner, zeigte sich mit den Herausforderungen der Branche bestens vertraut und versprach, sich für spürbare Verbesserungen einzusetzen. „Die Kunst der Gesundheitspolitik wird es sein, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren und an den entscheidenden Stellschrauben zu drehen.“
Hagel hinterfragte den zunehmenden Bürokratiewahnsinn und betonte: „Wenn etwas keinen Sinn macht, gehört es abgeschafft.“ Er kündigte an, dass die CDU-Fraktion eine umfassende Überprüfung aller bestehenden Normen anstrebe: „Jede Regel muss ein Verfallsdatum erhalten. Wer eine Vorschrift erneut einführen will, muss sie begründen. Wir müssen uns endlich von überflüssiger Regulierung befreien.“